Schöner leben ohne Nazis

Von „Gesicht zeigen“ gegen Fremdenhass über „Stolpersteine“-Initiativen zur Erinnerung an die Judenverfolgung bis hin zu „Faith Matters“ gegen Islamfeindlichkeit: Zahlreiche Initiativen arbeiten in Deutschland und Europa gegen Rechtsextremismus. Und das ist gut so.

Von Ulrike Schnellbach

Daniel Grebeldinger ist Rumäne; seine Mutter gehört der deutschen Volksgruppe an, sein Vater den Roma. Ob er selbst Diskriminierung erfahren hat, erzählt der 35-jährige Akademiker nicht, schließlich geht es nicht um ihn. Grebeldinger ist nach München gekommen, um bei einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung über Rechtsextremismus in Europa seine Arbeit vorzustellen. Mit der Initiative Navo Parudimos engagiert er sich in seinem Heimatland für Roma, und das mit einem ungewöhnlichen Ansatz: Er arbeitet stets mit gemischten Gruppen aus Roma und Nicht-Roma, die ansonsten getrennt leben und vor allem Vorurteile gegeneinander hegen. Neulich zum Beispiel, erzählt Grebeldinger, hat ein Arbeitstrupp aus beiden Gruppen die Kinderabteilung eines Krankenhauses renoviert. Als nächstes stehe ein Kindergarten an. „Wir wollen der Mehrheitsgesellschaft zeigen, dass die Roma nicht nur Bittsteller sind, sondern auch etwas geben“, erklärt der Projektmanager das Ziel. Ein kleiner Beitrag von vielen, wie die Tagung der Bundeszentrale zeigte.

Zahlreiche Gruppen präsentierten sich dort, die von Finnland bis Italien, von Russland bis Irland mit unterschiedlichsten Ansätzen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ankämpfen. Den besten Überblick hat das niederländische Netzwerk United for Intercultural Action, das 550 Initiativen aus 48 europäischen Ländern auflistet. United sammelt Best practice-Beispiele für Veranstaltungen und organisiert länderübergreifende Aktionstage. Vor allem bringt Mitbegründer und Direktor Geert Ates Gleichgesinnte zusammen. „Wir veröffentlichen eine Art Telefonbuch“, sagt der 55-Jährige, „damit Menschen, die sich gegen Rechts engagieren wollen, voneinander erfahren und sich zusammenschließen können.“

Einen Schwerpunkt bildet bei etlichen Initiativen die Arbeit im Internet. Denn Rechtsextreme nutzen das Netz sehr effektiv, um Hass gegen Minderheiten zu schüren, Vorurteile zu reproduzieren und Nachwuchs zu rekrutieren, weiß Fiyaz Mughal von der britischen Nichtregierungsorganisation Faith Matters. Die Organisation sammelt Informationen über islamfeindliche Attacken und Hetzreden und ruft zur Counter Speech auf, zur Gegenrede im Netz. Das mag etwas ohnmächtig klingen. Doch auch der Budapester Politologe Tamas Boros warnt mit Blick auf die in Ungarn erfolgreiche neofaschistische Partei Jobbik davor, die rechte Propaganda unwidersprochen zu lassen. „Es gibt einfach zu viele Menschen, die darauf hereinfallen.“ Manche von ihnen, weiß Fiyaz Mughal, lassen sich durch die Hassreden sogar zu Gewalttaten anstacheln– bis hin zu Morden.

Rechtsextremisten „nicht in ausreichender Zahl“?

Wie gelingt die Arbeit gegen Rechtsextremismus? Der Erfolg ist naturgemäß schwer zu messen, aber einige Faktoren liegen auf der Hand. Die Soziologin Ursula Bischoff hat die Präventionsprogramme der Bundesregierung ausgewertet und festgestellt, dass sie dort Wirkung zeigen, wo mehrere Akteure an einem Strang ziehen: Bund, Länder und Kommunen, aber auch Politik und Zivilgesellschaft. Voraussetzung ist allerdings, dass das Problem überhaupt ernst genommen wird. Allzu oft bagatellisieren etwa Bürgermeister rechte Umtriebe in ihren Gemeinden mit Sätzen wie „So etwas gibt es bei uns nicht“ oder „Die kommen aus dem Nachbarort“.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat für Deutschland mehr als 200 lokale und überregionale Initiativen gegen Rechts gezählt. Darunter sind bekannte Projekte wie „Gesicht zeigen“ des ehemaligen Regierungssprechers Uwe-Carsten Heye oder die „Stolpersteine“-Initiativen zur Erinnerung an die Judenverfolgung. Es gibt Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und solche für Kommunen und Schulen, die sich wappnen wollen. Es gibt Selbsthilfegruppen von Eltern rechtsextremer Jugendlicher und lokale Bündnisse für offene Städte. Die Palette reicht bis hin zu ironischen Ansätzen wie der Netzinitiative „Schöner leben ohne Nazis“ oder dem Modelabel „Storch Heinar“, das die rechte Kleidungsmarke Thor Steinar auf die Schippe nimmt.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) mokierte sich unlängst unter der Überschrift „Antifa“ über Aktivitäten wie Fußballturniere oder Konzerte gegen Rechts. Und über eine preisgekrönte Kampagne von Regensburger Wirten unter dem Motto „Keine Bedienung für Nazis“. Sicher sind Zweifel über Sinn und Wirksamkeit der einen oder anderen gutgemeinten Aktion berechtigt. Doch ihnen generell als Hauptmotiv die „Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit“ zu unterstellen oder sie als Antifa-Ableger zu diffamieren, wie es die FAS tut, ist unangemessen. Schlimmer: Die Zeitung verharmlost die Problematik, wenn sie schreibt, dass es „echte Nazis, Rechtsextremisten, Antisemiten und Rassisten nicht in ausreichender Zahl gibt“, um all die Initiativen zu rechtfertigen. Was genau wäre bitte „eine ausreichende Zahl“? Gibt es nicht genügend Anschläge auf Asylbewerberheime und rechtsextrem motivierte Gewalttaten – nicht nur die des NSU – gegen Migranten? Es ist darüber hinaus wissenschaftlich nachgewiesen, dass rassistische, ausländerfeindliche und antisemitische Einstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft erschreckend weit verbreitet sind, und zwar in allen Schichten und Gruppierungen.

Spott ist nicht angebracht

Rechtsextremismus ist ein tief sitzendes Phänomen mit vielen Gesichtern. Deshalb muss auch die Arbeit dagegen an vielen verschiedenen Punkten ansetzen: bei gefährdeten Jugendlichen wie bei Eltern und Lehrern; bei vorbeugender Aufklärung wie bei Hilfe zum Ausstieg aus der Szene; mit sozialpädagogischen Methoden ebenso wie mit politischer Auseinandersetzung. Fußballturniere sind dabei nicht das abwegigste Mittel. Gerade Sportvereine können viel zur Integration beitragen; auf der anderen Seite zeigen Fußball-Hooligans häufig eine gefährliche Nähe zum Rechtsextremismus, wie im vergangenen Herbst die HOGESA („Hooligans gegen Salafisten“)-Ausschreitungen in Köln gezeigt haben. „Rock gegen Rechts“ hat ohnehin seine Berechtigung; bekanntlich werden viele Jugendliche gerade durch Rechtsrock-Konzerte anfällig für die rechte Szene.

Spott ist also keineswegs angebracht. Eher Unterstützung für die Menschen, die die Warnzeichen erkennen und fantasievoll für Demokratie und Solidarität eintreten. Sie machen unermüdlich darauf aufmerksam, dass Fanatismus jeglicher Art eine Gefahr für die offene Gesellschaft ist. Und sie wirken gegen ein Klima, in dem fremdenfeindliche, vor allem antimuslimische Parolen (wieder) salonfähig zu werden drohen.

Erschienen in Publik-Forum 6/2015

© Ulrike Schnellbach – Abdruck nur nach Rücksprache mit der Autorin

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