„Es geht immer noch stressiger“

Michaela und Rudi Bartz wollten ein zweites Kind. Sie bekamen drei

Von Ulrike Schnellbach

Michaela Bartz Michaela Bartz – Foto: Ulrike Schnellbach

Der Ausflug zum Spielplatz ist eine logistische Herausforderung. Die Vorbereitungen: dreimal wickeln, drei Jacken anziehen, drei Mützchen binden. Eine Decke für jeden Säugling. Wo sind die Schnuller? Den Kinderwagen – Überbreite – aus dem Keller heraufholen, außerdem das Dreirad. Zum Glück zieht sich die zweijährige Frida ihre Schuhe und Jacke selbst an, sie steht längst an der Tür. Jetzt kann es losgehen.

Oma nimmt den Drillingswagen, Mama behält Frida auf ihrem Dreirad im Auge. Kaum aus dem Haus, die ersten neugierigen Blicke. „Zwillinge?“, fragt eine Passantin und steckt ihren Kopf in den Kinderwagen. „Oh! Kaiserschnitt? Alle gesund aber?“ Eine Radlerin ruft im Vorbeifahren: „Sie Arme!“ Eine Spaziergängerin bleibt stehen und erzählt von ihren Enkelinnen: auch Drillinge, schon 14 Jahre alt.

„Man kommt nicht weit“, sagt die Mutter achselzuckend, und das hier sei noch harmlos. „Wie oft mich wildfremde Menschen fragen, ob das künstliche Befruchtung war!“ Frida drängelt, sie will endlich zum Spielplatz. Die Babys schlafen, alle drei. Zeit zum Erzählen.

Michaela Bartz, 36, und ihr Mann Rudi wollten ein zweites Kind – einen Jungen am liebsten. „Ich hatte diese Traumvorstellung von der Kleinfamilie“, sagt sie lachend. Damals, als der Arzt ihr eröffnete, dass sie Zwillinge bekommen würde, war ihr gar nicht zum Lachen. „Ich habe geheult und war total sauer.“ Beim nächsten Arztbesuch waren alle drei zu sehen, da heulte sie nicht mehr. „Das war dann auch egal“, sagt sie rückblickend, ihre Vorstellung vom Familien-Quartett war eh dahin.

Nie alleine sein: Das ist gar nicht so leicht zu ertragen

Dass es noch drei Mädchen sein sollten, nahm sie gelassen: „Ich fand Frida klasse, warum sollte ich da keine Mädchen wollen?“ Im Mai kamen Emma, Leni und Mia zur Welt, zwei Monate zu früh, aber gesund. Klar, dass sich das Familienleben komplett verändert hat. Für Michaela mehr als für ihren Mann, der als Ingenieur voll berufstätig ist.

Vielleicht der größte Einschnitt: dass Michaela, von den Kindern abgesehen, praktisch nie alleine ist. „Das ist manchmal nicht einfach“, sagt sie mit einem Seitenblick auf ihre Mutter. Aber es ist gleichzeitig ihre Rettung. Neulich habe sie von einer Alleinerziehenden mit Drillingen gelesen, „da habe ich gedacht: Es geht immer noch stressiger.“ Michaela hat einen Mann, „der super mitzieht“, und sie hat einen regelrechten Hilfstrupp.

Leni oder Mia oder Emma wird unruhig, die Oma geht eine Runde spazieren. Michaela nutzt die Zeit, um ihrer Großen am Klettergerüst zu helfen. „Die Frida macht prima mit“, sagt sie. Dank Oma bekommt das Kind weiterhin ihr Programm: Kinderturnen, Spielgruppe, beides exklusiv mit Mama. Das ist wichtig, denn auch Fridas Leben hat sich mit der Geburt ihrer Schwestern sehr gewandelt. Sie geht jetzt in den Kindergarten. Und wenn sie vom Mittagsschlaf aufwacht, sind da immer die drei Babys.

„Ich bin froh, dass es nicht meine ersten Kinder sind“

Auch für Frida ist es ein Glück, dass es den Hilfstrupp gibt. Der sieht so aus: Montags ist Michaelas Mutter da, so dass Frida mit Mama in die Spielgruppe gehen kann. Dienstags rückt die andere Oma an und bleibt über Nacht. Sie übernimmt mit dem Papa die Nachtschicht, Michaela darf durchschlafen. Mittwochs kommt wieder Michaelas Mutter, bleibt über Nacht, da darf der Papa schlafen.

Wenn Michaela mit den Drillingen zum Arzt muss oder andere Termine hat, bleibt ihre Mutter bis Freitag. Außerdem kommt dreimal die Woche für mehrere Stunden eine Haushaltshilfe – eine Unterstützung der Stadt Dormagen. Nur am Wochenende müssen Michaela und ihr Mann alleine zurechtkommen. „Was auch mal gut tut“, sagt Michaela.

Sie wirkt unglaublich gelassen, sogar entspannt. Ja, sagt sie dazu mit einem Lachen, „meine Kollegin, die auch vier Kinder hat, sagt, sie ist froh, dass es mich getroffen hat.“ Michaela sei „richtig gut drauf“, bestätigt eine Freundin, und das schon seit der Schwangerschaft. Das muss wohl daran liegen, dass sie sich nach dem ersten Schock schlicht in ihr Schicksal gefügt hat. Sie hadert längst nicht mehr.

„Ich bin echt froh, dass das nicht meine ersten Kinder sind“, sagt sie. „Man ist weniger unsicher und weiß, dass alles Phasen sind, die vorbei gehen.“ Allerdings sagt ihr die Erfahrung auch dieses: Die jetzige Phase der fünf Monate alten Drillinge ist eine eher ruhige. „Schwierig wird es, wenn sie alle krabbeln oder laufen, jede in eine andere Richtung. Und wenn man um jedes Zähneputzen einen Kampf ausfechten muss wie jetzt mit Frida.“

Doch der Gedanke bringt sie vorerst nicht aus der Ruhe. Als Sozialarbeiterin habe sie mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, erzählt Michaela, „dauernd wollte jemand etwas von mir, meistens mehrere gleichzeitig – da ist das jetzt gar nicht so anders.“ Sie sagt sich: „Jetzt ist das hier mein Vollzeitjob, und das wird wohl erstmal so bleiben.“

"Schade, dass ich nicht mehr so mobil und spontan sein kann"

Zurück in der geräumigen Erdgeschosswohnung – den Umzug aus einer Dachwohnung hat die Familie noch vor der Geburt über die Bühne gebracht – richtet Michaela die Fläschchen und beginnt mit ihrer Mutter, die Säuglinge zu füttern. Auch Frida darf ein Baby versorgen. Gestillt werden die Drillinge nicht. Als Frühchen geboren, mussten sie mehrere Wochen in der Klinik bleiben, Michaela besuchte sie jeden Morgen. Doch Stillen und Abpumpen wären zu aufwändig gewesen.

Ein Vorteil: Die Kinder waren schon an einen Vierstunden-Rhythmus gewohnt, als sie nach Hause kamen. Auch nachts trinken sie nur einmal. Wenn die erste aufwacht, ist Fläschchen-Zeit. Dann werden auch die anderen beiden geweckt, danach ist wieder Ruhe.

Im neuen Job als vierfache Mutter kommt Michaela zugute, dass sie ein sehr organisierter Mensch ist, wie sie selbst sagt. Am Wickeltisch liegt eine Liste, in die sie einträgt, wann welches Kind trinkt, Medizin schluckt und Stuhlgang hat. „Ich muss das Gefühl haben, dass ich alles im Griff habe, dann geht das.“ Was sie bedauert: „Dass man nicht mehr so mobil und spontan sein kann wie früher.“

Von morgens bis abends die Kinder versorgen – mehr ist nicht drin

Mit Frida allein unternahm sie allerhand, traf sich oft mit Freundinnen. Jetzt ist ein Ausflug mit dem Auto – nach der Geburt hat die Familie einen VW-Bus angeschafft – ein großes Unterfangen. Und Zugfahren mit dem Drillingswagen kaum möglich. Außerdem vermisst Michaela es, sich mit den einzelnen Babys beschäftigen zu können, sie zu genießen. „Der Tag vergeht einfach damit, die Kinder zu versorgen. Mehr ist fast nicht drin.“ Ihre Mutter sagt es so: „Für Michala ist es schade, dass alles strukturiert sein muss nach Schema Bundeswehr.“

Im Moment ist es erstaunlich ruhig in der Wohnung. Frida hat ihr Deckbett angeschleppt und baut sich im Wohnzimmer eine Höhle. Die Babys haben getrunken und kuscheln sich auf Mamas oder Omas Arm, eines liegt im Gitterbettchen. So friedlich ist es nicht immer.

Der Vater, der gerade von der Arbeit kommt, erzählt, wie er manchmal schon von draußen mehrstimmiges Geschrei hört. „Dann überlege ich mir“, sagt Rudi Bartz mit einem Augenzwinkern: „Vielleicht zurück ins Auto und erst noch eine Runde drehen?“ Jetzt packt er an, wo es am dringendsten ist. Frida will spielen, der Drilling im Gitterbett quakt, das Abendessen muss auf den Tisch – Verstärkung ist willkommen.

Erschienen u. a. in Publik-Forum 20/2007

© Ulrike Schnellbach – Abdruck nur nach Rücksprache mit der Autorin

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